Ode an die See

Eigentlich ist “Seemann” für mich gar kein Beruf, schon eher eine Berufung. Das Privileg, mit den Elementen arbeiten zu dürfen, ist riesig und auch ein sehr prägendes.

Unterwegs habe ich mich immer wieder gefragt, warum gerade die See uns so anzieht, unseren Charakter formt und warum die Sehnsucht nach ihr so gross ist. Wir Seemänner suchen immer das Wasser, egal wo wir uns befinden. Bei Seefrauen ist es wohl das gleiche, wenn ich an meine Kolleginnen denke… Wenn wir unterwegs sind, verwünschen wir häufig unsere Arbeit. Wir werden manches Mal extrem herausgefordert – mental und körperlich. Ab und zu ist es auch riskant da draussen und wir wären lieber auf festem Boden zu Hause. Wenn wir aber dann zu Hause sind, dauert es nicht allzu lange und wir wollen wieder ablegen, dem Horizont entgegen. Auch die meisten anderen Menschen, aus den verschiedensten Bereichen, werden an und auf der See andächtig. Warum ist das so?

Wie viele von uns, hatte ich die letzten zwei Jahre die Gelegenheit und Zeit, einiges mit einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Wenn ich mir die See von weit oben, von unten, oder auch im Zeitraffer vorstelle, dann erkenne ich viele Ähnlichkeiten mit uns. Die Gezeiten beispielsweise. Ähneln diese Auf- und Abbewegungen nicht sehr unserer Atmung, einfach viel langsamer? Oder all diese biologischen Zusammenhänge in und an der See? Sie sind in einem perfekten Gleichgewicht und wenn letzteres gestört wird, erkrankt das System. Ist das nicht in unseren Organismen ziemlich ähnlich? Die Myriaden von Lebewesen in der See haben alle ihren Platz und ihre Aufgabe. Es gibt gute und schlechte – auch das kommt mir irgendwie bekannt vor…

Die See ist die Mutter allen Lebens auf der Erde. Unser eigener Ursprung ist in ihr zu finden. Und wie jede Mutter passt auch die See auf ihre Sprösslinge auf. Ohne ihr mässigendes Temperament wären die Nächte hier eiskalt und die Tage unerträglich heiss. Ohne ihr immerwährendes Pulsieren gäbe es keine Atemluft, keine Nahrung, kein sauberes Wasser, keine Natur – nichts! Ihre Launen jedoch lassen uns bescheiden werden und demütig. Die See kann uns zu bewussteren Menschen erziehen. Vielleicht sind das Gründe für unsere Zuneigung und Sehnsucht? Die See als Lebensquell, auch wenn sie nicht nur gibt. Sie nimmt auch. Aber das ist wohl in jedem Kreislauf so.

Immer wenn ich am Arbeiten bin, tune ich mich nach ein paar Tagen in die Rhythmen der See ein. Ich werde zu einem Teil der Vorgänge und kann damit meine Kurse bestimmen. Ich weiss, wann die See einatmet und wann aus. Warum dies passiert oder sie jenes macht. Sie gibt mir Zeichen. Ich wünschte mir, ich könnte noch viele mehr erkennen. Sie sind da, ich bin einfach zu blind. Trotzdem sind so viele Sachen nachvollziehbar und erscheinen logisch. Die See ist immer fair, sie betrügt uns nicht und ist nicht parteiisch. Auch wenn wir manchmal fast (in einigen Fällen sogar ganz) verzweifeln an einer Situation. Es ist nicht persönlich gemeint, sondern dient einer grösseren Sache. Für mich gehören diese Gleichschaltungen, zusammen mit den ehrlichen Verhältnissen, zu den eindrücklichsten Erlebnissen. Die See ist wie ein riesiger Organismus. Sie kann Leben geben – und nehmen.

Ich habe die letzten zwei Jahrzehnte viele, unbeschreiblich schöne Orte besuchen dürfen. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt und mit ihnen eindrückliche Erlebnisse geteilt. Über die Jahre hat mich aber mehr und mehr zu stören begonnen, dass ich für meine Arbeit immer irgendwo hinreisen muss – unter enormem energetischem Aufwand. Und nicht nur ich reise. Meine Arbeit löst immer auch die Bewegung von weiteren Menschen aus. Wieder unter enormem Aufwand. Und je erfolgreicher ich arbeite, desto grösser die Bewegungen über den Globus. So werde ich immer mehr zu einem Teil des wohl grössten Problems, dass wir uns vorzustellen versuchen. Und bis vor kurzem sah ich keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Entweder ich befeuere mit meiner Arbeit die Klimaveränderung, oder ich gebe meine Berufung auf. Das hat mich deprimiert und eine Zeit lang war ich recht ziellos. Und dann hat sich meine Mutter mit der Mutter von uns allen verbündet und mir (wohl instinktiv) diese Lösung hier zugehalten.

Mit Sjøgård – die Meer Farm – spendet die See wieder Leben und ich werde einen kleinen Teil der Lösung mitgestalten können. Darum habe ich beschlossen, jetzt diesen Weg einzuschlagen. Das Ocean Farming ist in unseren Breiten noch relatives Neuland und es gibt viel zu entdecken und entwickeln. Spannende, lehrreiche und vielseitige Aufgaben warten darauf, angegangen und erledigt zu werden. Aber alleine werden das meine Familie und ich nicht schaffen. Ich bitte euch deshalb, meine Webseite anzuschauen und mit allen euren Freunden und Kontakten zu teilen. Je mehr von diesem Projekt erfahren und vielleicht sogar eine finanzielle Unterstützung gewähren können, desto grösser wird die Wirkung von Sjøgård sein.

Und auch für meine Frau würde ein Traum in Erfüllung gehen. Sie hat sich schon immer einen Bauern als Mann gewünscht…

5 Replies to “Ode an die See”

  1. I absolutely agree in your remarks and appreciate your project of establishing “Ocean Farming”! I am convinced that this will become a major trend in the next decade. Looking forward to be one of your supporters:-)

  2. wie du beschreibst, dass du die see liebst und hasst, dass du deinen job auf see liebst und hasst, habe ich während meiner alpzeit erlebt. ich bin da physisch und psychisch oftmals an die grenzen gekommen und habe mich gefragt warum ich das mache, aber während dem alpsommer und auch im nachhinein, war es eine meiner besten zeiten!

    1. Ja, da haben wir was gemeinsam. Wahrscheinlich liegt es am direkten Umgang mit der Natur und den Elementen. Wir fühlen uns richtig lebendig mit allen Höhen und Tiefen. Und wir vermissen es, wenn es zur Erinnerung wird.

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